In 20 Minuten wird Scholz vor dem Bundestag treten und aller Voraussicht nach die Lieferung von Kampfpanzern verkünden. Das ist ein schwerer Tag, für Scholz, für die Regierung und auch für mich als Befürworter dieser Lieferung. Man darf sich allerdings fragen, warum das auch bei den Befürwortern Angst erzeugt. Wir liefern seit Anbeginn Kampfpanzer, indirekt, wenn auch sowjetischer Bauart, die ja schon immer angeblich die besten der Welt gewesen sind. Ich denke, die Angst entsteht durch die mediale Aufmerksamkeit,, die dieser Schritt seit Monaten begleitet hat. Wäre die Lieferung ohne weiteres Gedöns wie die bisherigen erfolgt, kämen wir nicht in die Diskussion, dass dies zu einem irreparablen Wendepunkt in diesem Krieg werden könnte.
Soeben schickt mir D., der strikt gegen Waffenlieferung ist (wohl egal welcher Art) folgende Nachricht:
Hallo Dietrich, nun noch Jets, dann Bodentruppen und alles wird gut!
Ich habe eine Weile überlegt, wie ich reagieren soll. Z.B.: natürlich wird nichts gut, es wird nach dieser ungeheuren Zerstörung auch in Zukunft nichts mehr gut. Und ich weiß auch nicht, was richtig ist und was die Zukunft bringt. Und ich gehöre nicht zu denen, wie auch keiner der strikten Befürworter – z.B Strack-Zimmermann -, die behaupten, dass dann alles gut wird. Und ich kenne auch keinen. Vielleicht denkt es Melnyk.
Jedenfalls weiß ich nicht, ob es gut werden wird, noch ob es gut ist, was wir tun. Ich weiß nur, dass wir uns in einem Dilemma befinden. Was wir auch tun oder nicht tun, es ist immer irgendwie falsch. Wenn die Nachricht von D. mit einem Fragezeichen geendet hätte, hätte ich vielleicht noch einen Ansatz zu einer sachbezogene Diskussion gesehen, aber das Ausrufezeichen sagte nur, es ist Mist was wir tun, denn es wird zwangsläufig mit dem deutschen Truppeneinsatz enden. Das sind D.s verständliche Ängste. Meine Ängste sind andere und diese Ängste haben offensichtlich bei den Regierenden die Oberhand gewonnen. Deshalb war meine Antwort:
Wir überlassen die Ukraine ihrem Schicksal und alles wird gut!
Das mag wie eine Retourkutsche klingen und es wäre sicherlich besser, wenn beide Sätze mit einem Fragezeichen enden würden, aber letztlich drücken beide Sätze unsere Hilflosigkeit und Verzweiflung aus. Doch kommt diese von zwei recht unterschiedlichen Standpunkten. D. glaubt offensichtlich – wie viele andere auch -, dass Russland ein Recht auf die Ukraine hat und dass sich Russland wieder ganz lieb in seine Grenzen (inklusive Ukraine, die es dann nicht mehr gibt) zurückzieht und friedliche Koexistenz mit dem Rest der Welt einschließlich Baltikum, Polen und so weiter übt. Lasst Putin doch das Sudetenland, Österreich und den Korridor nach Danzig, ach, da habe ich wohl etwas durcheinandergebracht.
Wer das so sieht, kann – vielleicht schweren Herzens – die Ukraine opfern. Aber an dieses liebe Russland mit seinem maßlosen Krieg in der Ukraine glaube ich keine Sekunde. Die Angst, dass das alles nicht gut geht, habe ich auch, aber meine Angst, dass Russland diese bröcklige Nachkriegsordnung endgültig in Trümmern legt, überwiegt alles. Auf eine Angst lasse ich mich jedoch nicht ein, die Angst vor dem Atomkrieg, so sehr sich dieses Monster im Kreml das auch wünscht, diese Angst habe ich mein ganzes Leben, an die habe ich mich gewöhnt.