Bisher habe ich nicht feststellen können, dass die Frage diskutiert wird, ob Russland aus rein oder vorwiegend wirtschaftlichen Gründen diesen Krieg vom Zaun gebrochen hat. Das ist eigentlich erstaunlich, denn das alte marxistische Narrativ, das letztlich alle Kriege wirtschaftliche Ursachen haben und alle anderen Gründe nur vorgeschoben sind, ist ja nach wie vor recht dominant in der Diskussion. Ich halte diese These für nicht begründbar in dieser Generalität, dennoch ist nicht auszuschließen, dass viele Kriege von wirtschaftlichen Interessen begleitet werden. Welche wirtschaftlichen Interessen könnten für Russland eine Rolle spielen oder noch besser gefragt: welche wirtschaftlichen Interessen könnten so stark sein, dass Russland das Risiko eines Krieges eingegangen ist. Mir fallen folgende Kandidaten ein:
Erstens, das Stahl- und Kohlerevier Donbass hat in der untergegangenen Sowjetunion eine wesentliche Rolle gespielt. Man braucht es eventuell für die Stabilisierung der eigenen Wirtschaft. Nun zerstört man es aber nachhaltig. Soll es vielleicht wegen der Konkurrenz verschwinden?
Zweitens, braucht Russland die starke ukrainische Landwirtschaft zum eigenen Überleben oder soll sie lieber verschwinden, damit die russische Landschaftwirtschaft die Weltmärkte dominieren kann?
Drittens, gehen durch die EU-Bindung der Ukraine zu viele Absatzmärkte verloren. Aber was hat Russland außer Rohstoffe zu bieten und die haben ja in der EU immer reißenden Absatz gefunden.
Ich sehe, dass ich mir Knoten in die Finger schreiben muss, um so etwas wie wirtschaftliche Kriegsgründe zusammenzubasteln. Mich überzeugen sie nicht. Gibt es vielleicht noch andere? Bislang und in Zukunft ist dieser Krieg für Russland ein einziges wirtschaftliches Desaster. Das macht ihn vielleicht so gefährlich, denn irgendwann könnte der Punkt erreicht sein, dass die russische Obrigkeit keine Interessen mehr hat, die es zu schützen gilt.
Das alles schließt nicht aus, dass es schwerwiegende wirtschaftliche Gründe sein, können, die den Krieg beenden.
Nun habe ich mich tatsächlich in eine pessimistische Stimmung hineingeschrieben, das war nicht meine Absicht, vielleicht gelingt mir an einem der nächsten Tage etwas Positives.