Tagebuch

für mich und wenige andere

Verhandeln im Krieg

Ich habe die These eines südafrikanischen Generals gefunden (in dem beeindruckenden Buch des israelischen Journalisten und Schriftstellers Tom Segev „Berlin Ecke Jerusalem“), der meines Erachtens sehr gut auf unsere heutige Situation entsprechend angewendet werden kann: Sie lautete bezogen auf die Situation in Südafrika vor der Beendigung der Apartheid folgendermaßen:

Es hat keinen Sinn die „Verhandlungen von der Aufgabe des Terrors abhängig zu mache…. Die historische Erfahrung lehre: Man müsse den Terror bekämpfen, als ob gäbe es keine Verhandlungen, und verhandeln, als gäbe es keinen Terror. Viele Staatsmänner sähen das nicht ein und verpassten unterdessen eine Gelegenheit, ein Abkommen unter besseren Bedingungen zu erzielen.

Diese Erkenntnis angewendet auf den Russland-Ukraine-Krieg würde ich dann folgendermaßen formulieren. Es hat keinen Sinn die Verhandlungen von der Beendigung der Kampfhandlungen (und auch nicht vom Abzug der Russen aus der Ukraine) abhängig zu machen. Die historische Erfahrung lehrt: Man muss im Krieg kämpfen, als gäbe es keine Verhandlungen, und verhandeln, als gäbe es keinen Krieg (und keine Russen im Land).

Einerseits hoffe ich, dass danach schon gearbeitet wird andererseits befürchte ich, dass das nicht so ist.

Waffenstillstand und Verhandlungen, wie es viele fordern, führt mit großer Wahrscheinlichkeit zum schnellen Untergang der Ukraine, da die Russen bessere Möglichkeiten der Regenerierung und Umgruppierung haben und, was fast noch entscheidender ist, zum Nachlassen der Unterstützung des Westens führen dürfte. Die jetzige Debatte um die Panzerlieferungen machen das mehr als deutlich. Natürlich dürften dann die Russen den Verdacht haben, dass dann der Westen die Zeit nutzt, die Ukraine richtig stark zu machen. Leider würde das auf militärischer Ebene eher nicht passieren, auf wirtschaftlicher kann ich es mir vorstellen, wenngleich die private Investitionen unter diesen Bedingungen kaum stattfinden dürften.

Das gegenseitige Glaubwürdigkeitsproblem wird durch schlichtes Versprechen kaum zu überwinden sein und eine Garantiemacht sehe ich nicht, die den status quo absichern könnte.

Ein großes Problem bekommt der Westen, wenn Russland ernsthafte Verhandlungen, vielleicht verbunden mit einigen überzeugenden Vorleistungen, anbieten würde. Man sieht, ohne geheimste Geheimverhandlungen wird wohl nichts passieren.