Tagebuch

für mich und wenige andere

Die bislang heißesten Tage

Ein Kommentar jetzt muss sein, obwohl ich keine Lust dazu habe. Deshalb diesmal etwas anders, nämlich mit Eigenzitaten.

Die letzten 3 Tage werden als Beginn eines starken Einschnitts in die europäische Geschichte eingehen. Trump wirft Putin die Ukraine in den Rachen, anders kann man es nicht mehr bewerten. Bevor es überhaupt zu Verhandlungen kommt, schlägt er sich selbst die wichtigsten Druckmittel aus der Hand: die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, der Verzicht auf amerikanischen Schutz für die etwaigen europäischen Friedenstruppen in der Ukraine.

Das, was jetzt geschieht, habe ich in einem Brief im Oktober 2024 an General Bühler, der seit Beginn des Ukraine Krieges die Lage dort sehr sachlich analysiert, befürchtet und gebe diesen Brief hier wieder. Seine Antwort darauf im Podcast war leider sehr unbefriedigend, so schwach habe ich ihn in den diesen Jahren nach Beginn das Krieges nicht erlebt. Ich gebe seine Antwort hier nicht wieder.

Einer meiner Lieblingsanalysten  Mark Reicher in YouTube hat tatsächlich jetzt versucht  in dieser höchst brenzligen Situation, die Lage für die Ukraine positiv zu sehen. Ich gebe hier – anschließend  an den Brief – mein Kommentar zu Mark Reichers Podcast wieder. Eine weitere eigene Analyse erübrigt sich wohl und kann bestenfalls gegeben werden, wenn der Rauch, der jetzt überall zu sehen ist, sich wieder gesenkt hat. In wenigen Minuten beginnt die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz. (Nachtrag nach Rede: das war ein so furchtbarer Quark, den der Mann von sich gegeben hat, das ich daraus nur den Schluss ziehen muss, dass er den Auftrag von Trump hatte, irgendetwas zu erzählen, nur kein Wort über Sicherheit, kein Wort über die Ukraine, kein Wort über Russland und auch nichts über China. Soll man daraus den Schluss ziehen, dass Trump plötzlich alles wieder offen hält? Ich weiß es nicht. Pure Ratlosigkeit)

Sehr geehrter Herr General Bühler,

…..

Ich bin ein strikter Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine, auch für weitaus mehr Waffenlieferungen und – mit ein wenig Bauchschmerzen – auch für die Freigabe, diese Waffen im russischen Hinterland einzusetzen. Die Bauchschmerzen rühren nur daher, dass darüber diskutiert wird und dadurch erst rote Linien entstehen, die Russland dann möglicherweise aus Prestigegründen einhalten zu müssen glaubt.

Ich bin froh, dass wir in der NATO sind und dass uns der Artikel 5 schützt. Wir wissen, dass dieser Artikel ohne Amerika nicht viel wert ist. Deshalb nun meine Frage: Wie zuverlässig geht Amerika mit seinen Verbündeten um? Die letzte erfolgreiche Operation nach dem Zweiten Weltkrieg durch Amerika war die Rettung Südkoreas. Diese Aktion erfolgte allerdings noch unter einem halbherzigen UNO-Mandat. Ich überspringe mal Vietnam und den Irak und komme gleich zu Afghanistan, wo wir NATO-Mitglieder über den Artikel 5 zur Solidarität aufgerufen wurden und diese auch geleistet haben.

Das Ergebnis: Afghanistan wurde den Taliban überlassen, die Amerikaner sind abgezogen und die Verbündeten und vor allem ihre Helfer müssen bis heute sehen, wie sie aus diesem furchtbaren Land herauskommen. Wenn ich sehe, wie aus innenpolitischen Gründen die amerikanischen Waffenlieferungen an die Ukraine monatelang auf Sparflamme liefen (und wir Europäer uns dem wohl gerne angeschlossen haben), sehe ich die gleiche Ausstiegstendenz wieder bei den Amerikanern. Wenn man ein Land den Taliban überlassen kann, warum nicht dann auch die Ukraine den Russen? Das dürfte weitaus weniger schrecklich sein. Und das sage ich, nachdem und obwohl ich 49 Jahre unter russischer Besatzung gelebt habe.

Angesichts der historischen Beispiele (Vietnam, Afghanistan, Irak) frage ich mich und Sie: Wie können wir sicher sein, dass die USA nicht erneut einen Rückzug vornehmen und die Ukraine ähnlich im Stich lassen (und damit auch uns), wie es in anderen Konflikten der Fall war?

Mit freundlichen

Nun mein Kommentar zu Mark Reicher

Diesmal kannst du mich leider nicht aus meiner Depression herausreißen, wie so manchmal in der Vergangenheit. Ich sehe die Situation komplett anders und ich habe den Eindruck, du hast dir jetzt alles schön geredet, was man sich schönreden kann. Nachdem Trump wichtige Verhandlungspunkte vom Tisch genommen hat, muss er bei der Waffenlieferung bleiben, sonst braucht er eigentlich gar nichts mehr verhandeln. Die Verhandlungen mit der Ukraine über die Ausbeutung der Bodenschätze sehe ich als Scheinverhandlung und ich habe eher den Eindruck, Trump hat sich schon mit Putin abgesprochen, dass Putin diese Gebiete mit den wertvollen Seltene Erden übernimmt, aber Amerika sie dann gemeinsam mit den Russen ausbeutet. Und wenn jemand, der sich selbst als größter Dealer bezeichnet, so tollpatschig in die Verhandlung geht, darf man sich fragen, ob er tatsächlich dieser großartige Dealer ist (daran zweifeln viele) oder eher von vornherein wichtige Verhandlungspunkte aus der Hand gibt, um sich umso leichter mit Putin die Ukraine einzuverleiben und auszubeuten. Natürlich wird er dann von Putin über den Tisch gezogen. Wir sind damit wieder einmal die von Amerika Verratenen wie schon in Afghanistan, im Irak und … ich will nicht noch weiter zurückgehen. Das stärkste Stück ist dabei noch, Truppen aus NATO-Staaten per Dekret herauszunehmen und damit dem Artikel 5 Schutz zu entziehen. Das kommt der Kündigung des NATO Vertrages gleich. Wer noch glaubt, dass Trump zur NATO steht, der wird sehr bald in einer neuen Wirklichkeit aufwachen.